Welche kulturelle Bedeutung hat die Weberei der First Nations?

Australia Explained: First Nations weaving - Aboriginal craftswoman splitting pandanus for weaving

Ramingining, Arnhem Land, Northern Territory, Australia, 2005. Credit: Penny Tweedie/Getty Images

Eines der komplexesten und ausgefeiltesten Beispiele der innovativen Technik und spannenden Kultur der First Nations ist das Weben. Künstler und Künstlerinnen stellen beeindruckende Gegenstände her, aber auch der Herstellungsprozess ist faszinierend und hat eine tiefe kulturelle Bedeutung. Die Kunst des Webens ist eine Möglichkeit Wissen zu teilen und sich mit Land und Leuten zu verbinden. Der Begriff "Achtsamkeit“, ein Zustand von Geistesgegenwart, spielt dabei eine große Rolle.


Highlights
  • Die gewebten Gegenstände sind eine greifbare Verbindung zwischen den Künstlern, dem Land und den Vorfahren.
  • Das Weben wird als Instrument des Bewusstseins und der sozialen Verbindung genutzt.
  • Weberinnen und Weber können einen eigenen Stil haben, der ihre Arbeit kennzeichnet.
  • Sowohl Männer als auch Frauen weben.
Die gewebten Kunstgegenstände sind so vielfältig wie die Weber und Weberinnen der First Nations, die sie herstellen. Jedes Werk ist besonders und bei genauerer Betrachtung erkennt man eine sichtbare Verbindung zwischen den Künstlern, ihrem Land und ihren Vorfahren.

Der Webprozess beginnt mit dem Sammeln und Vorbereiten des benötigten Materials wie Schilf, Baumrinden und Pflanzen. Diese werden zu einem Muster verwoben, um Gegenstände wie Körbe, Schalen, Seile und Netze herzustellen.

“Weben ist nur ein Wort im Englischen. In der Muttersprache gibt es viele verschiedene Wörter dafür”, sagt Cherie Johnson. Die Gomeroi-Frau ist eine Künstlerin und Lehrerin aus dem Norden von New South Wales.

“Das wirklich Bedeutende an dem, was wir als Weben bezeichnen, ist das kulturelle Wissen, das in den Objekten steckt. Das Wissen, welche Pflanzen man zu welcher Jahreszeit pflücken muss und auch, was man ernten kann, um sich auf nachhaltige Weise zu ernähren.”
AFLW Rd 8 - Yartapuulti v Gold Coast
Ein indigener Web-Workshop im Precinct Village in Adelaide. Credit: Kelly Barnes/AFL Photos/via Getty Images

Weben verbindet Menschen

Beim Weben geht es nicht nur um das Erlernen des Prozesses und der Stiche. Verschiedene Generationen sitzen zusammen, um Geschichten auszutauschen und das kulturelle Wissen zu erlernen, das hinter dem Weben steckt.

"Es ist wichtig zu verstehen, womit man gewebt hat, warum diese Gegenstände wichtig waren, wofür der Gegenstand, den man herstellt, verwendet wurde und wie man ihn richtig benutzt", sagt Johnson.

Auch Männer begeistern sich für die Weberei

Die Kunst hat für viele eine verschiedene Bedeutung. Auch für Luke Russell. Er kommt aus der Gegend von Newcastle in New South Wales und eignete sich das Wissen der älteren Generation über die Werkzeugherstellung an. Nun gibt er es weiter, indem er traditionelle Speere, Kanus und verschiedene Werkzeuge herstellt.
Für mich spielt das Weben, vor allem das Seilweben, eine große Rolle, insbesondere die Herstellung von Werkzeug.
Luke Russell, Vermittler des kulturellen Wissens
Er verwendet ausgeklügelte Webtechniken, um die Enden seiner Kanus zu sichern oder Werkzeuge mit gewebten Seilen zu verbinden.

Von der frühen Kindheit bis ins Teenageralter verbringen Jungen und Mädchen traditionell viel Zeit damit, zusammen das Weben zu lernen.

"Alle Fähigkeiten, die junge Männer in ihrer Entwicklung lernen, werden von Frauen unterrichtet", betont Russell.
Australia Explained: First Nations weaving -  pandanus palm fibre mats
Credit: Richard I'Anson/Getty Images

Weben ist Meditation

Cherie Johnson nutzt das Weben, um ihre Gedanken visuell zu dokumentieren. Dadurch erzeugt sie eine gewisses Bewusstsein, das entsteht, wenn man sich auf etwas mit all seinen Gedanken fokussiert – ein Zustand der Geistesgegenwart.

“Auf diese Weise verarbeitet unsere Community”, sagt sie.

“Wir verarbeiten gemeinsam in Liebe und auf respektvolle Weise als Familie und das ist es, was das Weben bewirkt. Es bringt Menschen zusammen. Manchmal kommen die Leute in unseren Webkreisen einfach nur, um Tee zu trinken und die Gemeinschaft zu genießen.”

Stilistische Unterschiede

Materialien wie Gräser und Rinden variieren von Region zu Region. Dadurch unterscheiden sich auch die Webarten. Zudem bringen Weberinnen und Weber eigene Stilrichtungen in die Arbeiten ein. Verwendet werden häufig Blumen, Rinden, Säfte oder Wurzeln.

"Wenn ein Künstler die gewebten Fasern gezielt mit Pigmenten einfärbt, ist das für die betreffende Person und die Region von großer Bedeutung", sagt Cherie Johnson.

Häufig werden lokale Pigmente aus Blumen, Rinden, Säften oder Wurzeln verwendet.

"Wenn ein Künstler die gewebten Fasern gezielt mit Pigmenten einfärbt, ist das für die Künstler und die Region von großer Bedeutung", erklärt Johnson.
Normalerweise kann jemand mit einem geschulten Auge die Region und manchmal sogar den Künstler anhand der Pigmente, des Stils, des Stichs und der Materialien erkennen.
Cherie Johnson, Künstlerin und Lehrerin
"Manchmal kann man den Künstler oder die Künstlerin sogar erkennen, indem man sich den Ansatz und die Basis des Gewebes ansieht", erklärt Nephi Denham.

Sein Volk der Girramay kommt aus der Gegen von Cardwell in Nord-Queensland. Sein Onkel hat ihm die Kunst beigebracht.

"Viele unserer Künstler, mich eingeschlossen, beginnen [das Weben] auf unterschiedliche Weise", sagt Nephi Denham.

"So kann man an der Basis erkennen, ob es sich um Links- oder Rechtshandweberei handelt. Und so ist zu erkennen, wer dahintersteckt."

Australia Explained: First Nations weaving - Woman weaving basket with pandanus palm fibre
Credit: Richard I'Anson/Getty Images

Wie kann man sich daran beteiligen?

Cassie Leatham ist eine Künstlerin und Meisterin der Weberei des Taungurung Volks der Kulin Nation in Victoria.

Sie leitet von Ureinwohnern geführte Workshops, in denen Nicht-Indigene dazu ermutigt werden, sich einzubringen und in die Traditionen einzutauchen.

Die Teilnehmer werden aufgefordert, genau zuzuhören, um ein besseres Verständnis dafür zu entwickeln, woher die Weber und Weberinnen der First Nations kommen und welche Verbindung sie zu ihren Vorfahren haben.

"Es ist wichtig, dass Teilnehmer wissen, dass diese Workshops von den Ureinwohnern geleitet werden. Sie sollen die Bedeutung des kulturellen geistigen Eigentums unseres Wissens hier in Australien für sich mitnehmen", so Leatham.

Von First Nations geleitete Webegemeinschaften und Webefestivals sind jeden frei zugänglich. Workshops werden oft durch lokal, in sozialen Medien und durch Mundpropaganda beworben.

Die Sichtbarkeit der Weberei

Die Webarbeiten werden in Galerien in ganz Australien ausgestellt und verkauft. Sie zeigen die Vielfalt der Kulturen und Lebenswelten der First Nations.

"Der Grundsatz hinter der Weberei ist eigentlich ein visueller Einblick in die Vergangenheit, die zur Gegenwart geworden ist. Wir alle führen sie für unsere zukünftigen Generationen fort", sagt Cassie Leatham.

"Wenn die Leute also in Galerien gehen, müssen sie erkennen, dass unsere Weberei in ganz Australien verbreitet ist und jeder eine kulturell bedeutsame Geschichte mit der Weberei oder den Fasern hat. Und diese Geschichten sind alle verschieden."

Share